Impressionen vom LOK-Kongress

Vom schönen Schein der Integration

Unter diesem Titel veranstaltete der "Verein LOK - Leben ohne Krankenhaus" am 22. und 23. März 2007 in Wien einen sehr bemerkenswerten Kongress im Wiener Austria Center.

Im Rahmen des Kongresses „Vom schönen Schein der Integration“, des Vereins LOK wurden eine Vielzahl von erstklassigen Vorträgen sowie interessante Diskussionsrunden zu Themen der Selbstbestimmung abgehalten.

Zwei Tage lang diskutierten in Wien mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Österreich, Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden und Italien zu den Themen „Arbeit“ und „Finanzierung von Direktleistungen“ für behinderte Menschen.

Der Wiener Autor Dr. Erwin Riess eröffnete den Kongress mit einem kritischen Vortrag, den er an den Sozialminister richtete, über seine Sicht der Entwicklung der Behindertenpolitik der letzten zwanzig Jahre in Österreich.

Es wurden den ganzen Tag in zwei Sälen parallel Vorträge gehalten. „Wem dient die Sozialwirtschaft?“, hinterfragte Peter Wehrli vom Zentrum für Selbstbestimmtes Leben und zeigte eindrucksvoll die Notwendigkeit von Direktleistungen auf.

Welche Erfahrungen Großbritannien mit seinem Direktzahlungsgesetz gemacht hat, erläuterte Sue Bott von der Selbstbestimmt Leben Bewegung aus Großbritannien.

Auch die Erfahrungen aus Schweden wurden authentisch von Dr. Adolf Ratzka dem teilweise staunendem Publikum näher gebracht. 14.000 Personen erhalten in Schweden Direktleistungen für Persönliche Assistenz und beschäftigen damit mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter als der internationale schwedische Konzern Ericsson.

In der Steiermark gibt es zwar im neuen Behindertengesetz „Persönliche Assistenz“, doch warum dies in der Praxis nicht funktioniert und wieso die Ausführungsbestimmungen diskriminieren, legte Wolfgang Mizelli von Selbstbestimmt Leben Österreich dar.

Die Fachbereichsleiterin des Fonds Soziales Wien, DSA Anita Bauer, zeigte die Entwicklung des FSW seit Gründung und Übertragung der Agenden durch die Stadt auf und gab einen Überblick, wie die 178 Millionen Euro Behindertenhilfe in Wien in Subjekt-, Objekt- und Projektförderung aufgeteilt werden.

Der Innsbrucker Universitätsprofessor Dr. Volker Schönwiese gab einen Einblick in die geschichtliche Ein- und Ausgrenzung von behinderten Menschen und brachte bemerkenswerte Beispiele.

Abgerundet wurde das Programm mit Vorträgen zu Euthanasie und Pränataler Diagnostik – von Dr. Oliver Tolmein aus Deutschland – sowie einer Diskussionsrunde mit Behindertensprecherinnen und -sprechern aus dem Parlament.

In der abschließenden Reflexionsrunde wurden die herausragenden Statements des Kongresses nochmals erwähnt, aber auch neue Themen angerissen. Peter Hacker, Geschäftsführer des FSW, der die in Wien zuständige Stadträtin, Mag. Sonja Wehsely (SPÖ), vertrat, sprach sich für eine „offene Pflegegeldstufe“ im Pflegegeldgesetz aus.

Der Verein LOK hat mit diesem Kongress den Rahmen für eine der wichtigsten und inhaltlich anspruchsvollsten Veranstaltungen der letzten Jahre in Wien geschaffen, den die Vortragenden nutzten, um den sehr aufmerksamen und interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern erstklassige Referate darzubringen.

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0 Kommentare

  • Lieber Gerhard! Nach meinen Informationen will das der FSW ja tun. Es gibt ja dieses große Assistenzmodell auch, wie veröffentlicht. Da wird nach schwedischen Pflegeassistenzmodell soviel Geld zur Verfügung gestellt (bis zu 9000 Euro hab ich gehört), wie eben die bedarfsgerechte 24 Stunden Pflege erfordert und kostet.

    Leider gibt es dazu auch schlechte News:

    1. es besteht da kein Rechtsanspruch, d.h., sollte da kein Geld mehr dafür da sein, dann wird es eben diese Form der Finanzierung nicht mehr geben und

    2. der bürokratische Aufwand, der da entsteht, hat eine riesige Grössenordnung erreicht und

    3. es werden da besonders schwere Pflegefälle, wie deine Pflegetochter dezidiert ausgeschlossen und

    4. es betrifft dieses große Assistenzmodell, was in meinen Augen schon vorbildlich wäre, zur Zeit nur 21 Menschen in Wien.

    Ansonsten will ich da gar nichts kritisieren, da, wie gesagt, bis auf die vorgenannten Verbesserungen (Abänderungen), es in meinen Augen ein riesiger Schritt nach vorne wäre.

    Hoffentlich können sich die Entscheidungsträger in Wien sich dazu durchringen, die von mir angesprochenen Änderungen zu machen.

  • Man höre und staune, Vertreter des „sozialen“ Wien denken über die „offene Pflegegeldstufe“ im Pflegegeldgesetz nach. Warum diese plötzliche Offenheit für diese, seit Einführung des Pflegegeldes verhinderte Weiterentwicklung des BPGG für Fälle, bei denen das statische 7-Stufenmodell nicht ausreichend ist? Ein Fortschritt? Oder vielleicht nur deshalb jetzt dran, weil man die Fortführung und Öffnung des zweijährigen Assistenz- Pilotprojektes und die 24-Stunden-Betreuung (Landessache) nicht aus Landesmitteln finanzieren möchte, sondern über das BPGG den Bund in die Pflicht nehmen möchte?
    Statt wieder neue starre Pauschalbeträge (2500-3000 Euro für 24-Stunden-Betreuung) einzuführen, sollte die Notwendigkeit tatsächlicher Bedarfsdeckung im Vordergrund stehen. Das gesamte 7-Stufen-Modell sollte durch ein dynamisches, wirklich individuell bedarfs-gerechtes, die jeweils zur Verfügung stehenden Assistenz-Ressourcen berücksichtigendes Assistenz-Budget ersetzt werden. Also eine große Assistenzreform?