Astrid Weidinger

Weidinger: „Ich hoffe auf die positiven Veränderungen“

Für Astrid Weidinger war es keine einfache Zeit als im Jahr 2003 alle Medien über ihren Berufswunsch berichteten.

Grund der Berichterstattung: Das Bildungsministerium wollte verhindern, dass sie als gehörlose Person Lehrerin wird.

Im Jahr 2004 wurde angekündigt, dass der Zugang zur Lehrerinnen- und Lehrerausbildung unabhängig von einer Behinderung gesetzlich erlaubt werden soll. Bisher war behinderten Menschen die Ausbildung zum Lehramt nicht erlaubt.

BIZEPS-INFO interviewte Astrid Weidinger zu den Hürden in ihrer Berufsausbildung, ihren Hoffnungen im Zusammenhang mit der Anerkennung der Österreichischen Gebärdensprache (ÖGS) sowie zu ihren Erwartungen vom Behindertengleichstellungsgesetz.

BIZEPS-INFO: Sie haben es nun geschafft. Gratulation! Was waren die größten Hürden auf Ihrem Weg zur Lehrerin?

Astrid Weidinger: Vor allem waren die Musikseminare für mich die größten Hürden. Trotz des großen ÖGS-Dolmetschmangels hatte ich Möglichkeiten, die ÖGS-Dometschdienste zu nutzen. Ohne Dolmetschung hätte die Ausbildung keinen Zweck für mich gehabt.

Dank der großzügigen Unterstützung von Prof. Peter Dimmel, Landesverbandsleiter der Gehörlosenvereine OÖ, von Dr. Josef Fragner, Direktor der Pädagogischen Akademie des Bundes OÖ und auch von Landesrat Josef Ackerl des Landes OÖ konnte ich mein Studium fast reibungslos fortsetzen und es danach erfolgreich absolvieren.

BIZEPS-INFO: Glauben Sie, dass es nun andere gehörlose Personen leichter haben, auch eine Lehrausbildung zu machen?

Astrid Weidinger: Ich hoffe, dass andere gehörlose Personen in der Zukunft einen leichteren Zugang zur Lehrerausbildung als ich haben werden, wenn das Berufsausbildung-Gesetz novelliert wird.

Ich hoffe auf die positiven Veränderungen, die den Gehörlosen einen Zugang zur Lehrerausbildung ermöglichen.

BIZEPS-INFO: Die Österreichische Gebärdensprache ist nun seit 1. September 2005 anerkannt. Welche Auswirkungen erhoffen Sie sich dadurch im Bildungsbereich?

Astrid Weidinger: Dass es im bilingualen Schulbereich hörgeschädigten Schülerinnen und Schülern ermöglicht wird, ÖGS ebenfalls einzusetzen. Auch im integrativen Schulbereich, was als neue Schulform für das Zusammenleben hörender und gehörloser Kinder nicht immer erfolgreich sein könnte.

Der ÖGS-Einsatz in Klassen würde für alle Kinder gelten, egal ob hörend oder gehörlos. Außerdem hoffe ich auf die Nicht-Auflösung der Gehörlosengemeinschaft und -kultur, was für uns Gehörlose sehr wichtig ist, denn die ÖGS ist eng mit der österreichischen Gehörlosenkultur verbunden.

Es sollen mehrere hörgeschädigte Personen, die gebärden, in zwei Welten, also in „gesprochener“ Welt und in „gebärdeter“ Welt, leben und auch an den Kultur- und Sportveranstaltungen wie z. B. Gehörlosen-Kongressen, Camps für Gehörlose, Deaflympics-Spielen, usw. beteiligt sein.

Es wäre wichtig, wenn hörende Lehrerinnen und Lehrer, die früher ÖGS-Gegner waren, die ÖGS befürworten würden. Dies gilt auch für die (hörenden) Familien hörgeschädigter Kinder.

BIZEPS-INFO: Behinderte Menschen werden in Österreich häufig diskriminiert. Welche Diskriminierungen haben Sie persönlich bisher am meisten gestört?

Astrid Weidinger: Die Gesellschaft schaut mitleidserregende Blicke, wenn sie erfährt, dass ich gehörlos bin. Sie ist wahrscheinlich der Ansicht, dass Gehörlossein sowohl eine schreckliche Behinderung als auch eine Unselbstständigkeit bedeutet, was es für mich eher gar nicht bedeutet. Ich bin zufrieden damit, gehörlos zu sein.

Ich erinnere mich gut, dass ich bei einigen Aufnahmeprüfungen, die ich abgelegt habe, aufgrund meiner Gehörlosigkeit nicht aufgenommen wurde, nur weil ich nicht telefonieren konnte.

Eine der größten Diskriminierungen war, dass ich an den Musikseminaren bzw. dem Klavierunterricht, den ich nicht leiden konnte, in meiner ehemaligen Akademie teilnehmen musste. Wenn ich diese Veranstaltungen nicht besucht hätte, hätte ich kein Lehramtszeugnis erhalten.

BIZEPS-INFO: Was erwarten Sie sich vom Behindertengleichstellungsgesetz?

Astrid Weidinger: Ich hoffe im Rahmen des Behindertengleichstellungsgesetzes auf sinnvolle Maßnahmen, die den berechtigten Bedürfnissen der Gehörlosen entgegenkommen.

Beispiele wären, dass zukünftige gehörlose Pädagoginnen und Pädagogen an Musikveranstaltungen nicht verpflichtend teilnehmen müssen.

BIZEPS-INFO: Vielen Dank für das Interview.

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