Wenn man aus Bequemlichkeit die Falschen interviewt

Ein Zeitungsständer mit verschiedenen Tageszeitungen. Bild, Frankfurter Allgemein, Neue Zürcher Zeitung und andere.

Manchmal frage ich mich, ob manche Journalisten nicht selber merken, dass ihre Art und Weise über behinderte Menschen zu berichten, etwas merkwürdig ist. Man stelle sich nur einmal vor, eine Zeitung berichtet über die Schwierigkeiten eines 38-jährigen Mannes und seiner 30-jährigen Frau, Arbeit zu finden. Dabei kommen die beiden aber nicht ein einziges Mal zu Wort. Befragt werden lediglich die Eltern des Mannes. Die Eltern? Wieso das denn? Die sind doch erwachsen, würde man denken. Genau.

Kein Chefredakteur, der halbwegs bei Verstand ist, würde das einem Autor durchgehen lassen – aber bei gehörlosen Menschen scheinen diese Standards, dass man die Beteiligten direkt befragt, wenn man sie vor sich sitzen hat – nicht mehr zu gelten. Der Münchner Merkur hat einen sicher gut gemeinten Artikel über ein gehörloses Paar geschrieben, das auf Arbeitssuche ist. Die Zeitung hat aber leider vergessen, die eigentlichen Leute, um die es geht, überhaupt mal zu Wort kommen zu lassen. Es reden immer nur die Eltern des Mannes.

Businessfrau hat Sprechverbot ihr Mund ist mit 2 Pflastern in X Form überklebt.

Abgesehen davon, dass ich solche Artikel immer ein bisschen grenzwertig finde – was ist eigentlich die Nachricht? Können sich jetzt alle Arbeitslosen bei der Zeitung melden? Wird dann auch über sie berichtet? – ist es absolut nicht hinnehmbar, dass für erwachsene Menschen immer noch die Eltern reden. Mir ist schon klar, woher das kommt. Der Journalist hatte vielleicht Hemmungen und wusste nicht, wie er mit dem gehörlosen Paar kommunizieren soll. Aber die Eltern reden zu lassen, ist ja nun auch keine Lösung. Dann schon besser einen Gebärdensprachdolmetscher hinzuziehen oder sonst jemand, der übersetzen kann.

Ja, ich weiss, es ist manchmal etwas aufwendiger, wenn man diese Ansprüche hat. Andererseits zeigt der Artikel wunderbar, dass man sonst nicht an Informationen kommt. Wir erfahren fast nichts über das Paar, außer wie schwer alles ist. Ist es das, was der künftige Arbeitgeber lesen will? Ist es das, was die gehörlosen Leute selber gesagt hätten? Damit ist der Zweck des Artikels – die beiden in Arbeit zu bringen – und vielleicht etwas mehr Verständnis für gehörlose Menschen zu erzielen, völlig verfehlt.

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