Will Wien wirklich 4 neue Sonderschulen bauen?

Der Wiener Bildungsstadtrat, Christian Oxonitisch (SPÖ), kündigte am 16. März 2012 bei der SPÖ-Klubklausur den Neubau von 4 Sonderpädagogischen Zentren an.

Christian Oxonitsch
SPÖ

Konkret sollen in Wien bis zum Jahr 2022 insgesamt elf neue Volksschulen, drei Hauptschulen und vier Sonderpädagogische Zentren entstehen. „Das sind 255 neue Klassen!“, so Stadtrat Oxonitsch in der Presseaussendung.

Gebaut werden Campus-Standorte mit ganztägiger Betreuung. In den rund 700 Mio. Euro teuren Projekten sind auch vier neue Sonderpädagogische Zentren (umgangssprachlich Sonderschulen genannt) enthalten, die 36 Klassen umfassen sollen.

Die Campus-Idee ist nicht neu und wird wird auch von den in der Stadtregierung befindlichen GRÜNEN unterstützt. Überraschend ist aber, dass die ROT-GRÜNE Stadtregierung – trotz Zusage die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Wiener Koalitionsübereinkommen – massiv in den Ausbau von Sondereinrichtungen investieren will. Die Projekte heißen „Modell Wiener Campus„.

Aussonderung als Konzept?

„Der vielversprechende Ansatz der Campus-Idee wird durch den Plan, Kinder mit Behinderung in Sonderschulen erneut auszugrenzen, wieder völlig zunichte gemacht!“, meint in einer ersten Reaktion Mag. Bernhard Schmid (Generalsekretär der Lebenshilfe Wien) und fragt: „Wie sollen Kinder mit und ohne Behinderung voneinander sozial oder schulisch lernen, wenn sie in separaten Klassen unterrichtet werden?“

Schmid: „Die Sonderschule ist ein Auslaufmodell!“

Bernhard Schmid fordert eine Kehrtwendung: „Statt zig-Millionen Euro in den Neubau von Sonderschulen zu investieren, kann das Geld sinnvoller in Personal, Hilfsmittel und bauliche Maßnahmen in allgemeine Schulen gesteckt werden.“

Er verweist auf die Fakten unzähliger Studien: „Alle Lehrerinnen und Lehrer und Schülerinnen und Schüler profitieren von der Methodenvielfalt individualisierten Unterrichts, und die Kinder mit und ohne Behinderung lernen den gegenseitigen Umgang für die Gesellschaft von morgen.“

Ähnlich äußert sich auch Prof. Volker Schönwiese (Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Innsbruck): „Sonderschulen bleiben Sonderschulen, auch wenn sie im Verbund mit anderen Schulen errichtet werden (Campus-Konzept). Weder Schulhof-Integration noch begrenzte Gruppen-Kooperationen in den Schulen können Inklusion ersetzen“, führt er aus und erinnert: „Schon 1993 hat das Unterrichtsministerium erhoben, dass LehrerInnen in der Reihe ‚Integrationsklasse – StützlehrerInnenklasse – Sonderklasse – kooperative Klasse‘ die Kooperationsklassen in der Praxis am allerschlechtesten bewerten. Es ist absolut nicht im Sinne der von der UN-Konvention geforderten Inklusion, neuerlich auf veraltete Kooperationsmodelle zu setzen.“

Praniess-Kastner: „Bildungspolitische Bankrotterklärung“

Für die Behindertensprecherin der Wiener ÖVP, Karin Praniess-Kastner, ist eine „bildungspolitische Bankrotterklärung“.

Es ist „eine Schande, dass von der Wiener SPÖ der Bau von Sonderpädagogischen Zentren als zukunftsweisend abgefeiert wird“, zeigt sich Praniess-Kastner verärgert.

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