Zertifizierung: „Der deutsche Ansatz ist falsch“

In Deutschland sorgt eine geplante Zertifizierung für barrierefreie Internetseiten für Aufregung. BIZEPS-INFO hat Expertinnen und Experten um ihre Meinung gefragt.

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BIZEPS-INFO hat Expertinnen und Experten aus Österreich, zum heftigen Streit in Deutschland, um die Sinnhaftigkeit der Zertifizierung von barrierefreien Internetseiten befragt.

„Der in Deutschland gewählte Ansatz ist falsch“, zeigt sich Rudi Konar, einschlägiger Experte von der Schneeball Media und Berater für die Internetseiten der Wiener Verwaltung, sicher. „Ein Zertifikat kann nur eine Momentaufnahme eines Internetauftritts prüfen“, begründet Konar seine Ablehnung und verweist darauf, dass die Ergebnisse „bereits einen Tag nach der Prüfung wieder überholt sind“.

Nichts desto trotz gibt es ein Problem mit der Qualitätssicherung von Barrierefreiheit: „Hier ist ein standardisiertes Regelwerk notwendig. Dies muss jedoch ganzheitlich auch sämtliche Abläufe und Weiterentwicklungen beinhalten und Stategien für die künftige Sicherung der Barrierefreiheit bieten“, erläutert Konar und verweist im Besonderen auf folgenden Punkt: „Accessibility ist ein Prozess und muss auch so behandelt werden.“

Auch die blinde Internetexpertin und Mitarbeiterin des Bundes-Blindenerziehungsinstitutes, Eva Papst, zeigt sich im BIZEPS-INFO Interview wenig überzeugt von der Idee, denn „letztlich ist die Forderung nach Zertifizierung weniger der Wunsch nach objektiver Beurteilung eines Qualitätszustandes, als vielmehr der Ausdruck von Unsicherheit“.

„Für mich steht fest“, erläutert Papst weiter, „dass jedes Zertifizierungsverfahren sowohl in der Entwicklung als auch in der Durchführung eine Menge Geld verschlingen würde.“ Sie hält dies für unnötigt und fordert: „Die Gelder sollten aber anstatt in ein Zertifikat besser in PR-Arbeit, Gratis-Schulungen für Agenturen, Informationsveranstaltungen für Anbieter investiert werden.“

Wolfram Huber von web-tech coaching ist für die Barrierefreiheit der Seiten des Sozialministerium verantwortlich und bezweifelt die Sinnhaftigkeit der Entwicklung eines neuen Gütesiegels mit ähnlichen Inhalten wie die Konformitätshinweise nach WAI (Web Accessibility Initiative – Programm zur Barrierefreiheit).

„Eine Diskussion über eine Neudefinition der WAI Gütesiegel in Richtung Prozess bzw. Statusdefinition – wie z. B. aktueller WAI Status: 90% – halte ich allerdings für brauchbar“, erwähnt Huber. Er fordert, dass einheitliche Standards gewährleistet sein müssen und daher im Rahmen von WAI ablaufen sollen.

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