Alles neu beim Klagsverband – doch was heißt das genau?

Der Klagsverband (Klav) kämpft seit dem Jahr 2004 für die Rechte von Diskriminierungsopfern. Nun gibt es eine Reihe von Veränderungen.

What is new?
Gerd Altmann auf Pixabay
Klagsverband. Mit Recht gegen Diskriminierung.
Klagsverband

Im Jahr 2022 gab es einige Veränderungen für den Klagsverband (Klav).

BIZEPS hat daher den neuen Vorstandsvorsitzenden Christopher Frank und Theresa Hammer, zuständig für die fachliche Geschäftsführung und Rechtsdurchsetzung, interviewt und viel Neues erfahren.

Christopher Frank und Theresa Hammer im Interview

BIZEPS: Welche Veränderungen gab es im Büroteam und Vorstand des Klagsverbands?

Theresa Hammer
Vero Steinberger

Theresa Hammer: Vorab ist zu sagen, dass der Klagsverband als Dachverband seit der Gründung 2004 stetig gewachsen ist. Wir haben aktuell über 60 Mitgliedsorganisationen in ganz Österreich. In den letzten Jahrzehnten haben sich unsere Aufgaben weiterentwickelt und es sind neue dazu gekommen.

Dieses Jahr gab es aber auch personelle Veränderungen: Volker Frey und Daniela Almer haben sich für eine berufliche Neuorientierung entschieden. Die beiden haben den Klagsverband mitaufgebaut und so viele Jahre lang maßgeblich geprägt.

Es war also aus mehreren Gründen nötig, Aufgaben umzuverteilen und das Team neu aufzustellen. Unser unmittelbares Ziel ist es, sowohl die wirtschaftliche Existenz des Klagsverbands gut abzusichern, als auch genug zeitliche Ressourcen für die inhaltliche Arbeit und Rechtsdurchsetzung sicherzustellen.

Das neue Klav-Büroteam

BIZEPS: Wer arbeitet nun im Büro des Klagsverbands?

Theresa Hammer: Das Büroteam besteht nun erstmals aus 5 Mitarbeiter*innen, wobei wir alle in Teilzeit beschäftigt sind: Paul Haller ist für die wirtschaftliche Geschäftsführung und Öffentlichkeitsarbeit und ich für die fachliche Geschäftsführung und Rechtsdurchsetzung verantwortlich.

Unterstützt werden wir in der Rechtsberatung von Lisa Derntl, im Bereich Buchhaltung von Barbara Praher und in unserer Social-Media-Arbeit von Marlena Wachauf.

Der neue Klav-Vorstand

BIZEPS: Wer ist derzeit im Vorstand des Klagsverbands?

Theresa Hammer: Auch unser Vorstand hat sich neu aufgestellt. Er besteht aus einem ehrenamtlichen Team von engagierten Antidiskriminierungs-Expert*innen aus verschiedenen Bereichen.

Den Vorsitz hat nun Christopher Frank neu übernommen, Katrin Wladasch ist seine Stellvertreterin. Mümtaz Karakurt ist nach wie vor im Vorstand aktiv, daneben konnten wir Barbara Murero-Holzbauer, Jakob Putz, Elisabeth Eisner und Marion Guerrero neu gewinnen.

BIZEPS: Was haben Sie vor Ihrer Tätigkeit als Vorsitzender des Klagsverband gemacht und wo sind Sie sonst beschäftigt?

Christopher Frank
privat

Christopher Frank: Ich habe mich bereits während meines Jus-Studiums auf Antidiskriminierungsrecht und Gleichstellungsrecht spezialisiert und war bis 2017 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Legal Gender Studies an der Johannes Kepler Universität Linz.

Derzeit bin ich neben meiner ehrenamtlichen Tätigkeit für den Klagsverband hauptberuflich als Jurist für den Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen an der JKU Linz tätig.

Im Gleichstellungsrecht gibt es in Österreich noch genug zu tun

BIZEPS: Welche Arbeitsfelder erwarten Sie in Ihrer neuen Funktion?

Christopher Frank: Im Gleichstellungsrecht gibt es in Österreich noch genug zu tun. Als Dachverband lebt der Klagsverband dabei ganz wesentlich von den Inhalten seiner Mitgliedsvereine und kann dadurch immer wieder neue spannende Themen, wie z.B. einen verbesserten Diskriminierungsschutz aufgrund der Geschlechtsidentität aufgreifen.

Dieser ist wichtig, um auch nicht-binäre, trans- und intergeschlechtliche Menschen in ihren Rechten zu bestärken. Im Vorstand ist die Expertise aus verschiedenen Mitgliedsvereinen versammelt. So können rechtliche Fragen und damit zusammenhängende rechtspolitische Auswirkungen gut diskutiert werden.

Zentral ist dabei die gute Zusammenarbeit zwischen Vorstand und dem Büroteam, welches ja die faktische Arbeit des Klagsverbands trägt.

Ein zukunftsfiter Klagsverband

BIZEPS: Gibt es außer den personellen Veränderungen auch inhaltliche Veränderungen beim Klagsverband?

Theresa Hammer: Wir setzen uns mit unserer Arbeit gemeinsam für einen schlagkräftigen und zukunftsfiten Klagsverband ein. Den braucht es für Verbesserungen im Antidiskriminierungsschutz und für gleichstellungsrechtliche Weiterentwicklung. Dafür haben wir jetzt im Team und im Vorstand eine gute Basis geschaffen.

Die inhaltliche Weiterentwicklung ergibt sich bei uns vor allem aus der Zusammenarbeit mit den Mitgliedsorganisationen. Mit unseren Klagen greifen wir laufend neue Themen auf, die politisch relevant oder rechtlich ungeklärt sind.

In den nächsten Jahren wollen wir auch verstärkt an der Wahrnehmung dieser Arbeit im gesellschaftspolitischen Diskurs arbeiten.

Klagsverband vertritt in strategisch ausgewählten Fällen

BIZEPS: Konnte der Klagsverband im vergangenen Jahr viele Personen bei Klagen unterstützen?

Theresa Hammer: Der Klagsverband vertritt in strategisch ausgewählten Fällen, die über den Einzelfall hinaus Klarheit schaffen sollen: für andere Betroffene, für ein Diskriminierungsthema oder für eine neue Rechtsfrage. Dafür braucht es Menschen, die bereit sind, diesen Weg gemeinsam mit dem Klagsverband zu gehen.

Uns geht es nicht so sehr darum, möglichst viele Klagen einzubringen. Wichtiger sind eine gut durchdachte Auswahl der Fälle und eine enge Zusammenarbeit mit den Mitgliedsorganisationen.

Pro Jahr bringen wir maximal eine Hand voll Fälle zu Gericht, die sich manchmal über mehrere Jahre ziehen. In jeden einzelnen fließt viel Arbeit in der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung.

BIZEPS: Welche Klagen sind das?

Seit vielen Jahren gehen wir zum Beispiel gerichtlich gegen die Diskriminierung von Drittstaatsangehörigen bei der oberösterreichischen Wohnbeihilfe vor, weil das viele Familien in die Armut drängt. Da bleiben wir weiter dran.

Ein Verfahren gegen das AMS für eine 59-jährige Frau, der keine Weiterbildung mehr finanziert wurde, haben wir leider verloren, obwohl das Anknüpfen an das gesetzliche Pensionsalter von Frauen eine klare Geschlechter- und Altersdiskriminierung ist.

Vor kurzem haben wir dafür ein Verfahren rund um ein rollstuhlzugängliches Hotelzimmer gewonnen. Damit haben wir klären lassen, dass für barrierefreie Dienstleistungen kein höherer Preis verlangt werden darf.

Aktuell haben wir noch zwei weitere Einzelfälle bei Gericht anhängig.

Seit über einem Jahr führen wir zudem – in enger Zusammenarbeit und gemeinsamer Finanzierung mit BIZEPS und etlichen weiteren Mitgliedsvereinen des Klagsverbands – die erste Verbandsklage Österreichs nach dem Behindertengleichstellungsgesetz.

Wir halten es für diskriminierend, dass Schülerinnen und Schüler mit einer anderen als einer körperlichen Behinderung derzeit keine Assistenz erhalten können, um eine Bundesschule, also zum Beispiel ein Gymnasium, besuchen zu können.

Bestehende Lücken im Diskriminierungsschutz

BIZEPS: Wo sehen Sie dir größten Baustellen in Sachen Diskriminierung hier in Österreich?

Christopher Frank: Die Unübersichtlichkeit des bestehenden Antidiskriminierungsrechtes und besonders die bestehenden Lücken im Diskriminierungsschutz. Zum Beispiel ist es verboten, jemandem aus rassistischen Gründen eine Wohnung nicht zu vermieten. Gegen dieselbe Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung gibt es jedoch keinen rechtlichen Schutz. Das ist nicht nachvollziehbar.

Der Klagsverband fordert daher – übrigens so wie alle anderen im Bereich der Gleichstellung engagierten Personen und Institutionen -, dass das so genannte „Levelling Up“ endlich umgesetzt wird: Es muss einen gleichen Schutz in allen Lebensbereichen für alle Diskriminierungsgründe geben.

Theresa Hammer: Es gibt viele Baustellen, angefangen von sehr zähen Strukturen in den Geschlechterverhältnissen betreffend bezahlter und unbezahlter Arbeit, über rassistische Ausschlüsse und Gewalt auf so vielen Ebenen bis hin zur fehlenden Teilhabe von Menschen mit Behinderungen, weil ganz wesentliche Aufträge aus der UN-Behindertenrechtskonvention einfach nicht umgesetzt werden. Den Bereich Bildung und Arbeitsmarkt finde ich hier besonders wichtig.

Die Rechtsdurchsetzung in Diskriminierungsfällen ist auch nach wie vor eine große Herausforderung, auch wenn der Klagsverband in Musterfällen unterstützt. Das Kostenrisiko ist durchwegs hoch, während Unternehmen vergleichsweise geringe Schadenersatzbeträge drohen, wenn sie diskriminieren. Leider fehlt es zudem bei Gericht noch immer oft an Wissen und Sensibilität zu Diskriminierungsthemen.

BIZEPS: Was sind Ihre wichtigsten Ziele für den Klagsverband?

Christopher Frank: Der Klagsverband ist ein einzigartiges Netzwerk, in dem sich so viele unterschiedliche Organisationen quer über alle gesetzlich geschützten Diskriminierungsgründe zusammengeschlossen haben.

Gemeinsam setzen wir uns für Antidiskriminierung und Gleichstellung ein. Sowohl das Antidiskriminierungsrecht als auch das gesellschaftspolitische Umfeld entwickelt sich ständig weiter und es wird ganz wesentlich sein, hier weiterhin solidarisch zusammenzustehen. Deshalb möchten wir auch noch weitere Organisationen dafür gewinnen, sich dem Klagsverband anzuschließen.

Theresa Hammer: Der Klagsverband leistet einen unersetzlichen Beitrag für den Zugang zum Recht, indem er seine Mitgliedsorganisationen mit Informationen, Schulungen und konkreter Rechtsberatung in Diskriminierungsfragen unterstützt.

Betroffene bekommen so kompetente Antidiskriminierungsberatung. Das wollen wir weiterhin verlässlich tun. So kommen wir auch zu jenen spannenden Fällen, die wir als Musterfälle zu Gericht bringen. Dahinter steht immer ein klares Ziel: die Verbesserung des Diskriminierungsschutzes. Dafür setzen wir uns ein.

BIZEPS: Wir danken für das Interview und wünschen weiterhin viel Erfolg!

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Ein Kommentar

  • Der Klagsverband ist für Österreich UNVERZICHTBAR! Mann/Frau kann übrigens dort auch Einzel-Mitglied werden, wenn auch ohne Stimmrecht, wenn es sich bei der Mitgliedschaft um keine Organisation handelt.