„Assistierter Suizid“ in Österreich?

Im Parlamentarischen Justizausschuss wird im Rahmen des geplanten Strafrechtsänderungsgesetzes 2015 über die Straffreiheit von assistiertem Suizid durch "Diversion" nachgedacht. Bis dato ist die Öffentlichkeit darüber noch nicht informiert worden.

Parlament
BIZEPS

In Österreich ist die Beihilfe zur Selbsttötung (§ 78 StGB) derzeit verboten. Es droht eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren.

Unter „Experten“ wird immer wieder dahingehend argumentiert, dass Angehörige, die ein sterbendes Familienmitglied begleiten, nicht „zu Unrecht“ kriminalisiert werden dürfen.

Ein Mann, der seine Ehefrau zum Schweizer Verein Dignitas begleitet, sei kein „Verbrecher“. Er erfülle doch ihren letzten Wunsch. Er habe schon genug zu leiden angesichts der außergewöhnlichen, tragischen Umstände. Nun wird über dieses Thema der Entkriminalisierung der Suizidbeihilfe auch im Parlamentarischen Justizausschuss – scheinbar ernstlich – nachgedacht.

Straffreiheit durch Diversion

Unter „Diversion“ versteht man „allgemein alternative Beendigungsmöglichkeiten bei Strafverfahren im Bereich der leichten und mittelschweren Kriminalität“. Das bedeutet zum Beispiel „Zahlung eines Geldbetrages“, „Gemeinnützige Leistungen“, „Probezeit“ oder „Tatausgleich“.

Es gelten hierfür jedoch bestimmte Voraussetzungen, die in der österreichischen Strafprozessordnung nachzulesen sind. So ist derzeit zum Beispiel keine Diversion möglich, bei schwerwiegenden Straftaten, „die den Tod eines Menschen zur Folge haben“ (Ausnahme jedoch im Jugendstrafrecht). Im Falle einer erfolgten Diversion gilt der Beschuldigte als „nicht vorbestraft“, seine Unschuldsvermutung bleibt bestehen. Eine Zustimmung zu einer Diversion gilt nicht als Geständnis oder Schuldanerkenntnis.

Diversion auch bei Suizidbeihilfe?

Dazu die Parlamentarischen Stellungnahmen zweier Juristen bzw. Universitätsprofessoren: Unter Berufung auf die Empfehlungen der Bioethikkommission beim Bundeskanzleramt hält Univ. Prof. Dr. Alois Birklbauer „Straffreiheit für bestimmte Konfliktsituationen wünschenswert“. Und: „Wenigstens im Bereich diversioneller Verfahrenserledigung sollte sich der Gesetzgeber dazu durchringen, den Ausschluss eines diversionellen Vorgehens bei Todesfolge, wie er derzeit in § 198 Abs 2 Z 3 StPO vorgesehen ist, zu beseitigen.“

Univ. Prof. Dr. Kurt Schmoller schreibt: „Eine Streichung der Todesfolge hätte ferner den Vorteil, dass auch in dramatischen Fällen einer Tötung auf Verlangen oder einer Mitwirkung am Selbstmord eine diversionelle Erledigung nicht ausgeschlossen wäre. … Die in letzter Zeit intensiv geführte Diskussion über die Strafbarkeit einer Sterbehilfe in Extremfällen wäre durch die Möglichkeit einer diversionellen Erledigung jedenfalls entschärft.“

Was genau unter „bestimmte Konfliktsituationen“ und „Extremfällen“ verstanden werden soll, bleibt offen. Vielmehr erinnern ganz ähnliche Klauseln an die kürzlich geführte PID-Diskussion und Änderungen im Fortpflanzungsmedizingesetz, die u.a. auch von Behindertenorganisationen aufs Schärfste kritisiert wurden.

Auch ist von politischer Seite weder den Medien noch der Öffentlichkeit ein konkreter Entwurf bzw. Gesetzesvorschlag mitgeteilt worden. Dieser wird jedoch kommen und auch die notwendige öffentliche Wertediskussion, wie wir mit behinderten Menschen sowie mit dem Alter, Krankheit und Tod als Gesellschaft umgehen wollen.

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