Aktuelle Stunde: Grüne thematisieren Inklusion von Menschen mit Behinderungen

Potenziale, Chancen und Talente rücken Minister Rauch zufolge in den Fokus

Sitzungssaal des Nationalrats im Parlament
Parlamentsdirektion/Anna Rauchenberger

„Selbstbestimmtes Leben durch Inklusion in sämtlichen Lebenslagen“ haben die Grünen als Thema der Aktuellen Stunde in der Nationalratssitzung am 28. Februar 2024 gewählt.

Sozial- und Gesundheitsminister Johannes Rauch räumte Verbesserungsbedarf bei der inklusiven Bildung ein. Die Devise müsse lauten, dass Potenziale, Chancen und Talente von Menschen mit Behinderung in den Fokus rücken. Besonders wichtig sei hier die berufliche Teilhabe – so sei etwa umgesetzt worden, dass die Arbeitsunfähigkeitsprüfung ab heuer erst mit 25 Jahren durchgeführt werden muss.

Zudem stellte Rauch in Aussicht, dass für Werkstätten für Menschen mit Behinderung noch vor dem Sommer das Motto „Lohn statt Taschengeld“ umgesetzt werden soll. Als Meilenstein im Bereich der persönlichen Assistenz habe man zudem Schritte zur Vereinheitlichung der unterschiedlichen Bundesländersysteme gesetzt und 100 Mio. € zur Verfügung gestellt.

ÖVP und Grüne beleuchten Inklusionsmaßnahmen des Bundes

Inklusion und Selbstbestimmung bedeuten, dass Menschen mit Behinderung an allen Grund- und Freiheitsrechten teilhaben können, meinte Bedrana Ribo (Grüne). Die Realität sehe leider anders aus, wiewohl die Bundesregierung zuletzt einige wichtige Schritte gesetzt habe. So hob sie das Pilotprojekt für persönliche Assistenz oder die Möglichkeit für junge Menschen mit Behinderung hervor, AMS-Angebote in Anspruch nehmen zu können.

Etwa im Bereich der persönlichen Assistenz brauche es den Willen von allen, aber die Bundesländer würden die Mittel des Bundes nicht abholen. Der Bund könne aber Inklusion und Selbstbestimmung nicht alleine umsetzen, bemängelte Ribo, dass „Föderalismus nicht barrierefrei“ sei.

Sibylle Hamann (Grüne) identifizierte als Grundproblem bei der Inklusion einen „Sortierungswahn“. Es werde viel Energie in Österreich dafür verwendet, Menschen in Wohnhäuser und Schultypen „auseinander zu sortieren“. Abgeschafft habe man nun die „Aussortierung“ bei der Arbeitsfähigkeit von Menschen mit Behinderung im Alter von 16 Jahren und ihnen die Zeit bis 25 Jahre gegeben, sich zu orientieren. Besonders deutlich werde der „Sortierungswahn“ in den Schulen. Man müsse weg vom Sonderschulwesen hin zu inklusiven Settings, so Hamann. 

Auch aus Sicht von Kira Grünberg (ÖVP) ist eine Vereinheitlichung der Systeme für die persönliche Assistenz entscheidend. Die Bundesregierung habe daher 100 Mio. € in die Hand genommen. Nunmehr seien die Länder im Sinne einer einheitlichen Regelung gefordert. Als großen Schritt zur Inklusion hob sie etwa die Anhebung der Arbeitsunfähigkeitsprüfung auf 25 Jahre hervor. Zum Thema „Lohn statt Taschengeld“ werde man noch vor dem Sommer Maßnahmen setzen. Damit sollen Menschen mit Behinderung auch unterstützt werden, von den Werkstätten in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen.

Norbert Sieber (ÖVP) sieht Österreich im Bereich der Inklusion auf einem guten Weg. Zuletzt habe es etwa auch zum Behindertenpass Erleichterungen gegeben, sodass die einmalige Eingabe der Daten ausreiche. Zudem hob Sieber etwa die jährliche Valorisierung des Pflegegelds und die Befreiung von Menschen mit Behinderung von der Vignettenpflicht und Streckenmaut hervor. Beim Thema „Lohn statt Taschengeld“ sei ihm wichtig, dass die Vorteile des alten Systems bei der Überführung beibehalten werden.

Opposition ortet Versäumnisse bei Inklusionspolitik

Österreich sei „Lichtjahre“ von einer vollständigen Inklusion von Menschen mit Behinderung entfernt, vor allem im Bildungssystem, kritisierte Verena Nussbaum (SPÖ). Im Kindergarten würden inklusive Plätze fehlen, die Schule sei nach wie vor nicht frei wählbar und danach gebe es nur ein „Taschengeld“. Es gelte, ein echtes inklusives Bildungssystem zu schaffen, das jedem Kind die gleichen Chancen gebe. „Lohn statt Taschengeld“ müsse endlich umgesetzt und Inklusion in allen Bereichen mitgedacht werden.

Petra Tanzler (SPÖ) sieht durch die Strukturen in Österreich Menschen mit Behinderung ihrer Chancen beraubt, etwa indem Bedürfnisse in der Bildung ignoriert würden. Jedes Kind mit Behinderung sollte ihr zufolge einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz haben. Es fehle aber der politische Wille der Bundesregierung zu Veränderungen.

Inklusion bedeute „unter uns“, meinte dazu Christian Ragger (FPÖ) und erachtet Probleme in Österreich, was die Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden betrifft, als „hausgemacht“. Diese Dreiteilung mit einer zerklüfteten Struktur finde sich auch an den Schulen, kritisierte er. Ebenso wenig habe es die Bundesregierung geschafft, bei der Wohnbauförderung eine Zweckbindung festzulegen. Es brauche neben dem „Lohn statt Taschengeld“ auch eine Wohnbaufinanzierung, bei der Menschen mit Behinderung integriert würden sowie eine Ausbildung, die das „unter uns“ gewährleiste.

Dagmar Belakowitsch (FPÖ) übte etwa Kritik an einem fehlenden Rechtsanspruch auf das 11. und 12. Schuljahr für Menschen mit Behinderung, was eine Ungleichbehandlung darstelle. Sie bekenne sich aber zu Sonderschulen, weil diese für die Betroffenen positiv seien. Handlungsbedarf ortet Belakowitsch etwa auch beim Behindertenpass, zu dem alle sechs Monate in einer „Antragsflut“ ein neuer Antrag zur Verlängerung eingebracht werden müsse. 

Was die persönliche Assistenz betrifft, kritisierte Fiona Fiedler (NEOS), dass Menschen immer noch darum bitten müssten, eine solche für Freizeitaktivitäten zu bekommen. Diese Assistenz müsste aus ihrer Sicht „ohne Wenn und Aber“ ermöglicht werden. Zur Verlegung der Arbeitsunfähigkeitsprüfung auf das Alter von 25 Jahren bemängelte sie, dass damit eine Stichtagsregelung verbunden sei, sodass all jene mit Bescheinigung vor 2023 nicht berücksichtigt würden. Diese Regelung gehöre abgeschafft. Für die Maßnahme „Lohn statt Taschengeld“ sei es längstens an der Zeit, so Fiedler, die neben einem Rechtsanspruch auf das 11. und 12. Schuljahr auch eine Harmonisierung bei den Bundesländern, einen inklusiven Arbeitsmarkt und inklusive Bildung einmahnte.

Auch Martina Künsberg Sarre (NEOS) bemängelte, dass alle Oppositionsforderungen nach einem Rechtsanspruch auf das 11. und 12. Schuljahr für Menschen mit Behinderung vertagt worden seien. Fakt sei, dass die Bundesregierung in fünf Jahren nichts in der inklusiven Bildung weitergebracht habe. Das seien fünf verlorene Jahre für Kinder mit und ohne Behinderung sowie für die gesamte Gesellschaft, so Künsberg Sarre.

Siehe: ORF, Parlament

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