Aus den Augen, aus dem Sinn?

"Aus den Augen, aus dem Sinn?" ist der Titel einer weltweiten Kampagne von amnesty international gegen die systematische Diskriminierung von geistig behinderten Menschen in Bulgarien, die bis Ende April 2003 andauert.

Kinder hinter Gittern
amnesty international

Der Kampagnenname verweist auf die seit Jahrzehnten in Bulgarien praktizierte Verdrängung geistig behinderter Menschen aus der Öffentlichkeit, aus den Augen der Gesellschaft sozusagen, indem die Menschen mit geistigen Behinderungen vorwiegend in Einrichtungen untergebracht werden, die an abgelegenen Orten, teils in unwegsamen Bergregionen liegen, wo es weder geeignete Infrastruktur noch geschultes, professionelles Personal gibt.

Die gesellschaftliche Isolation basiert zu einem Gutteil auf einer tradierten Ignoranz gegenüber den Problemen und Bedürfnissen behinderter Menschen. So ist es in Bulgarien durchaus üblich, daß geistig behinderte Menschen unmittelbar nach ihrer Geburt – häufig für ihr ganzes Leben – von ihrer Familie in eine Anstalt abgeschoben werden.

Im Fahrwasser dieser Abschiebung aus dem öffentlichen Raum und Bewußtsein schwimmen all jene katastrophalen Bedingungen, die in den bulgarischen Fürsorgeheimen und psychiatrischen Spitälern herrschen. In einem Bericht hat amnesty international die gröbsten Missstände dokumentiert und die Ergebnisse der Recherche lassen nur einen Schluß zu: in Bulgarien werden HeimbewohnerInnen mit geistigen Behinderungen – nicht selten Fehldiagnosen, die nie revidiert werden – Opfer schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen; sie werden willkürlich inhaftiert und grausamer, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung ausgesetzt.

In psychiatrischen Spitälern wird Gewalt exzessiv angewendet. Die zur Anwendung kommenden Ruhigstellungs- und Isolationsmethoden und die Verfahrensregeln für Zwangseinweisungen sprechen internationalen Standards Hohn. Die Situation in Fürsorgeheimen für geistig behinderte Kinder ist dergestalt schrecklich, daß immer wieder Todesfälle aufgrund von Unterkühlung und Unterernährung zu beklagen sind.

Die grundlegenden Lebensbedürfnisse wie Kleidung, Nahrung, Heizung etc. werden nur unzureichend befriedigt. Therapie- und Rehabilitationsmöglichkeiten fehlen bisweilen zur Gänze, was den Kindern jede Zukunft raubt. Viele Kinder wurden nur wegen Entwicklungsstörungen, andere aus nicht näher definierten „sozialen Gründen“ eingeliefert. Es gibt sogar Fälle, in denen Kindern schwerste Behinderungen zugeschrieben wurden, nur um in den Genuß höherer staatlicher Förderungen zu gelangen.

Die Vernachlässigung der Kinder durch das Betreuungspersonal ist unvorstellbar. So hat ein Mädchen mit Down-Syndrom aus Mangel an Zuwendung und Aufmerksamkeit den Holzrahmen ihres Bettes durchbissen. Die Lage in den Heimen für geistig behinderte Erwachsene ist um nichts besser. InsassInnen werden geschlagen, in Käfigen und Gitterverschlägen eingesperrt, müssen auf rostigen Gestellen ohne Matratzen schlafen, aus Kübeln oder im Stehen essen und barfuß zuerst durch Schnee, dann durch Fäkalien waten, um zu den verstopften Erdlöchern, die man „Toilettenanlagen“ nennt, zu gelangen. Letztlich wurden zu Tode Verwahrloste ohne gerichtliche Untersuchung in einem nicht namentlich gekennzeichneten Grab verscharrt.

Im erwähnten Bericht, der übrigens als pdf-Datei auf der Homepage der österreichischen Sektion von amnesty international als Download zur Verfügung steht, wird einleitend ein Bewohner eines Heimes mit den Worten zitiert: „Dieser Ort ist für menschliche Lebewesen nicht geeignet. Er sollte geschlossen werden. Die Menschen sterben hier.“

Eine ganz normale Feststellung und Forderung angesichts der geschilderten abnormalen Zustände.

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12 Kommentare

  • jedem ist bekannt das es so ist,ich helfe vor ort und gezielt wir können hier schreiben das es so schlimm ist,aber packt mal in die tasche und helft ich habe mich sogar dafür verschuldet….aber das ist mir egal gezielte hilfe habe ich geleistet und das ist mir wichtig..

  • jedem ist bekannt das es so ist,ich helfe vor ort und gezielt wir können hier schreiben das es so schlimm ist,aber packt mal in die tasche und helft ich habe mich sogar dafür verschuldet….aber das ist mir egal gezielte hilfe habe ich geleistet und das ist mir wichtig..

  • Diese Berichte sind erschütternd, wie sehr zeigt sich wieder wie bestialisch und brutal der Mensch sein kann. Ich bin Mutter einer 9-jährigen Tochter, die geistig behindert ist; umso mehr verstehe ich und fühle, was hier passieren muß. Nie wäre mir oder meinem Mann in den Sinn gekommen unsere Tochter zu diskriminieren, oder weniger zu lieben als ein „normales“ Kind. Wer vergibt denn die Lebensberechtigungen? Etwa der Mensch selbst? Sind wir nicht viel mehr dazu verpflichtet gerade diesen Kindern alles und noch viel mehr zu geben, weil sie viel sensibler und betreuungsbedürftiger sind und eben ihre Selbständigkeit nie ganz erreichen werden? Unser erstes Kind, ebenfalls eine Tochter ist sozusagen „ganz normal“, und es wäre mir noch nie eingefallen Unterschiede zwischen den beiden zu machen. Auch Armut berechtigt nicht zu sozialer Ausgrenzung und Wegsperrung. Wenn ein Mensch menschlich sein WILL dann wird er das auch durchsetzen, zumindest muß er es versuchen. Es ist leider ein Problem, daß die Gesellschaft gerne wegschaut. Besonders auch die Regierungen wären hier gefordert einzugreifen. Ich denke aber es ist bequemer für viele einfach die Augen zu schließen. Gott schenke unsrer Familie ein langes Leben damit ich solange ich denken kann für mein Kind da sein kann.

  • Schrecklich! Ich habe vor kurzem einen Bericht der BBC zu diesem Thema gesehen, der mich entsetzt und zutiefst schockiert hat. In der Dokumentation wurde ein Heim für behinderte Kinder in Bulgarien über 9 Monate lang begleitet und festgehalten. Völlige Verwahrlosung der Kinder, mangelnde Ernährung, keinerlei Beschäftigung. Die Kinder wurden aufbewahrt, so lange bis sie starben. Und bei der Behandlung und Versorgung starben viele. Man kann sich kaum ausmalen, was das für ein Leben sein muss. Und wie das völlig unausgebildete Pflegepersonal einfach zuschaut, wie die Kinder verhungern. Nicht einmal Tiere würde man so behandeln!

  • es ist klar, dass mich dieser bericht zutiefst erschüttert. ähnliche zustände waren auch in österreich (z.b. hartheim) vor 20-30 jahren auch anzutreffen und ich denke, ebensolche zustände sind heute nicht nur in bulgarien an der tagesordnung, sondern auch in china und anderen ländern. ich wünsche amnesty international viel kraft, weitere solche misstände aufzudecken. danke!

  • es ist klar, dass mich dieser bericht zutiefst erschüttert. ähnliche zustände waren auch in österreich (z.b. hartheim) vor 20-30 jahren auch anzutreffen und ich denke, ebensolche zustände sind heute nicht nur in bulgarien an der tagesordnung, sondern auch in china und anderen ländern. ich wünsche amnesty international viel kraft, weitere solche misstände aufzudecken. danke!

  • Ich bin seit über zwei Jahren im Auftrag der Lebenshilfe Wien in Bulgarien tätig und kann die beschriebenen Missstände aus eigener Wahrnehmung nur bestätigen. Daneben gibt es aber auch bereits Erfreuliches, über 40 Elterngruppen über das Land verteilt, Tagesunterbringung für behinderte Kinder und Erwachsene, die einen guten Standard haben. Weiters gibt es in Mittelbulgarien die erste Schule, die Integration nach österr. Vorbild betreibt. Hier wird Geld aus dem Ausland zielgerichtet eingesetzt, natürlich könnte mit mehr Geld noch mehr gemacht werden. Wir versuchen auch die Zustände in den Heimen zu verbessern, was aber bei der Vielzahl (80 im ganzen Land) nur punktuell möglich ist. Unser vordergründiges Ziel ist es, die Eltern so zu stärken, dass nicht wieder neue kleine Kinder in die Heime nachrücken.

  • Ich bin seit über zwei Jahren im Auftrag der Lebenshilfe Wien in Bulgarien tätig und kann die beschriebenen Missstände aus eigener Wahrnehmung nur bestätigen. Daneben gibt es aber auch bereits Erfreuliches, über 40 Elterngruppen über das Land verteilt, Tagesunterbringung für behinderte Kinder und Erwachsene, die einen guten Standard haben. Weiters gibt es in Mittelbulgarien die erste Schule, die Integration nach österr. Vorbild betreibt. Hier wird Geld aus dem Ausland zielgerichtet eingesetzt, natürlich könnte mit mehr Geld noch mehr gemacht werden. Wir versuchen auch die Zustände in den Heimen zu verbessern, was aber bei der Vielzahl (80 im ganzen Land) nur punktuell möglich ist. Unser vordergründiges Ziel ist es, die Eltern so zu stärken, dass nicht wieder neue kleine Kinder in die Heime nachrücken.

  • es macht mich sehr betroffen, was kann ich dazu beitragen?? Ich bin nicht reich, hilft es wenn ich Kleider und Decken sammle und sie mir eine Kontaktadresse angeben?

  • es macht mich sehr betroffen, was kann ich dazu beitragen?? Ich bin nicht reich, hilft es wenn ich Kleider und Decken sammle und sie mir eine Kontaktadresse angeben?

  • Der Artikel hat mich tief betroffen gemacht. Was soll mann/frau dazu sagen: Unvorstellbar, bestialisch, unmenschlich, … oder … Not und Armut?

  • Der Artikel hat mich tief betroffen gemacht. Was soll mann/frau dazu sagen: Unvorstellbar, bestialisch, unmenschlich, … oder … Not und Armut?