Für die deutsche Koalition ist die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 15. April 2019 Menschen mit einer gerichtlich bestellten Betreuung die Teilnahme an den EU-Wahlen zu ermöglichen vor allem eines - peinlich. Ein Kommentar.
Auch der geneigte Beobachter aus dem Ausland konnte nicht nachvollziehen, warum die Politik in Deutschland keinerlei Problem darin sah, rund 82.000 behinderten Menschen das Wahlrecht dauerhaft vorzuenthalten.
Das jahrelange Drängen der Behindertenbewegung war vergeblich. Umso größer war die Freude über das Bundesverfassungsgericht und seinen Beschluss vom 29. Januar 2019, worin dieser die Wahlrechtsausschlüsse für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt hat.
Die Koalition aus CDU/CSU und SPD hat aber scheinbar nichts dazugelernt. Statt unmittelbar die Vorbereitungen zur Umsetzung einzuleiten, einigte man sich auf eine Initiative, die eine Umsetzung erst ab dem 1. Juli 2019 wirksam machen würde.
In anderen Worten: Die Frist wurde bewusst so gesetzt, dass die 82.000 behinderten Menschen bei der EU-Wahl weiterhin ausgeschlossen wären. Teile der Opposition (FDP, Linke und Grünen) brachten daher einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht ein. Sie wollten geklärt wissen, ob der Wahlausschluss bei der EU-Wahl rechtens ist.
„Ich gehe davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht seine Auffassung auch in diesem Fall umsetzt: Dass es verfassungswidrig ist, Menschen vom Wahlrecht auszuschließen, die unter vollständiger Betreuung stehen“, hielt Horst Frehe vom Deutschen Behindertenrat kürzlich fest.
Die Entscheidung war zu erwarten: Das Bundesverfassungsgericht entschied in einem Eilverfahren, dass bislang geltende Wahlausschlüsse auf Antrag nicht anzuwenden sind.
Siehe Artikel: Tagesschau.de, FAZ, Spiegel, kobinet-nachrichten
(Siehe auch Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss: Die praktische Ausübung des Wahlrechts durch Menschen mit Behinderungen bei der Wahl zum Europäischen Parlament)
Ludwig Breichner
17.04.2019, 10:06
Ich freue mich das diese Personengruppe jetzt auch wählen darf.
Wie sieht das in Österreich aus? Gibt es da auch eine Gruppe von Menschen mit Behinderung die derzeit vom Wahlrecht ausgenommen sind?
Markus Ladstätter / BIZEPS
17.04.2019, 13:01
Nein, nicht so wie in Deutschland. Für Näheres kann ich ihnen unsere Radiosendung „Barrierefreie Wahlen – Unsere Stimme zählt“ ans Herz legen.