Debatte um Persönliche Assistenz: Wie sinnvoll sind Umfragen zur Beschäftigungsform?

Sozialreferenten aus Wien, Oberösterreich und der Steiermark haben laut der Austria Presse Agentur (APA) in einem offenen Brief an Sozialminister Johannes Rauch ihren Unmut über die neue bundesweite Richtlinie zur Persönlichen Assistenz für ein österreichweites Pilotprojekt geäußert. Ein Kommentar.

Symbolbild Fragezeichen
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Die neue bundesweite Richtlinie für Persönliche Assistenz sieht vor, dass nur noch Angestelltenverhältnisse gefördert werden sollen. Das Sozialministerium stellt für die Neuregelung der Persönlichen Assistenz 100 Millionen Euro zur Verfügung.

Die Politiker:innen aus Wien, Oberösterreich und der Steiermark argumentieren jedoch, dass die Persönliche Assistent:innen weiterhin an freien Dienstverträgen festhalten möchten.

Umfrage als Handlungsanleitung?

Die Politiker:innen aus Wien, Oberösterreich und der Steiermark fordern daher, doch noch den freien Dienstvertrag in die schon im März 2023 veröffentlichte bundesweite Richtlinie zur Vereinheitlichung der Persönlichen Assistenz in Österreich aufzunehmen.

Eine anlassbezogene Umfrage des größten Anbieters in Oberösterreich, der Persönliche Assistenz GmbH, ergab laut APA-Meldung, dass über 80 % die Persönliche Assistent:innen ihre Tätigkeit bei einer Umstellung auf ein Angestelltenverhältnis beenden wollen. 

Es ist jedoch kritisch anzumerken, dass eine Umfrage der Persönliche Assistenz GmbH – durch die Johannes Kepler Universität in Linz – vor ein paar Jahren exakt das Gegenteil ergeben hat. Damals hatten 60 % der befragten Persönlichen Assistent:innen ein „sehr hohes“ oder „eher hohes Interesse“ an einem Angestelltenverhältnis. Dies wirft Fragen über die Verlässlichkeit der aktuellen Umfrageergebnisse auf.

Darüber hinaus sollte man hinterfragen, wie sinnvoll Umfragen in Bezug auf die Wahl zwischen legalen und nicht legalen Beschäftigungsverhältnissen sind. Schließlich liegt die Entscheidung, welche Art von Beschäftigungsverhältnis zutreffend ist, nicht bei den Persönliche Assistent:innen, sondern ist eine Frage des Arbeitsrechts.

Österreichische Gesundheitskasse stellt klar

In Gerichtsurteilen wurden schon mehrfach Freie Dienstverträge bei Persönlicher Assistenz als nicht rechtskonform angesehen. 

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) erläuterte schriftlich, warum Angestelltenverhältnisse notwendig sind – unabhängig davon, ob es ein Dienstleister oder ein Privathaushalt ist:

Auch wenn als Dienstgeber/in eine Organisation auftritt, welche selbst möglicherweise den persönlichen Assistent/inn/en keine Weisung erteilt, so sind diese Weisungen der behinderten Person (also des Kunden/der Kundin der Organisation) doch der Organisation zuzurechnen, weshalb auch in diesen Fällen in der Regel keine Weisungsfreiheit, freie Zeiteinteilung etc. vorliegen wird. Die Tätigkeit wird also in der Regel in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ausgeübt und unterliegt daher § 4 Abs. 2 ASVG (vgl z.B. auch das Erkenntnis des BVwG vom 19.06.2019, W209 2178259-1).

Sozialministerium setzt auf rechtskonforme Angestelltenverhältnisse

Das Sozialministerium sowie der Österreichische Behindertenrat verteidigen die Richtlinie und betonen, dass echte Angestelltenverhältnisse den Assistent:innen arbeits- und sozialversicherungsrechtliche Absicherung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sowie Anspruch auf Entgelt während des Urlaubs bieten. 

Das Pilotprojekt sei mit allen Sozialreferent:innen abgestimmt worden und weitere Bundesländer haben ihr Interesse an einer Teilnahme bekundet. Erstmals können österreichweit Menschen mit Behinderungen – unabhängig von der Art der Behinderung – Persönliche Assistenz bekommen.

Das Sozialministerium bezahlt den Bundesländern 50 % jener Beträge, die für Persönliche Assistenz gemäß der neuen Richtlinie ausgegeben werden.

Update: ORF ZiB 1 am 15. April 2023 – Streitpunkt bei Assistenzsystem-Reform 

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