VertretungsNetz: UN-Behindertenrechtskonvention endlich umsetzen!

Selbstbestimmtes Leben trotz Behinderungen bleibt immer noch vielerorts Utopie.

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VertretungsNetz

VertretungsNetz unterstützt die aktuelle Forderung des Behindertenrats, die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) endlich umzusetzen.

„Wir vertreten viele Menschen, die aufgrund ihrer psychischen oder intellektuellen Beeinträchtigungen als ‚nicht arbeitsfähig‘ gelten. Weil für diese Personen keine eigene soziale Absicherung existiert, sind sie in der Regel auf Sozialhilfe angewiesen und massiv von Armut betroffen“, berichtet Martin Marlovits, stv. Fachbereichsleiter Erwachsenenvertretung.

Ihre Teilhabe an der Gesellschaft ist daher stark eingeschränkt.
Sozialbehörden sind leider oft Teil des Problems. Sie ziehen jeden noch so kleinen zusätzlichen Geldbetrag, etwa Taschengeld aus einer Beschäftigung, von der Leistung ab.

„Sogar der Teuerungsausgleich des Bundes gegen die hohe Inflation wurde in manchen Fällen bis vor kurzem gleich wieder einkassiert. Solche Bescheide haben wir vor Gericht bekämpft, weil sie verfassungswidrig sind“, so Marlovits.

Zum Leben bleibt Betroffenen immer weniger, derzeit steigt bei vielen die Angst vor bevorstehenden Energieabrechnungen und Mieterhöhungen.

Wohnen wo und wie man will

Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben (Artikel 19 UN-BRK) beinhaltet unter anderem die freie Wahl des Wohnorts. Der Staat ist verpflichtet, Maßnahmen zu treffen, damit Menschen mit Behinderungen nicht in großen Einrichtungen leben müssen. Doch in der Praxis läuft dieses Recht ins Leere.

Viele ältere Menschen müssen gegen ihren Willen ins Pflegeheim umziehen, weil die Pflege zuhause nicht leistbar oder Wohnungen nicht barrierefrei ausgestattet sind.

Eine Heimunterbringung wird vom Staat bei Bedarf fast zur Gänze finanziert, die 24-Stunden-Betreuung zu Hause jedoch nur mit maximal 550 bzw. 1.100 Euro gefördert. Seit 2008 sind diese Zuschüsse nicht mehr wertangepasst worden. Oft scheitert Pflege zuhause auch daran, dass die mobilen Dienste nicht zur Verfügung stehen, sie sind vor allem in ländlichen Regionen unzureichend ausgebaut.

Persönliche Assistenz als Schlüssel zur Selbstbestimmung

„Es braucht auch einen Rechtsanspruch auf persönliche Assistenz, und zwar bundesweit und unabhängig von der Art der Beeinträchtigung“, fordert Marlovits. Ob jemand wegen einer körperlichen Beeinträchtigung Unterstützung benötigt oder sich aufgrund seiner Angsterkrankung nicht alleine auf die Straße traut, darf keine Rolle spielen.

„Seitens der Bundesländer heißt es oft, persönliche Assistenz werde ‚nach Maßgabe der finanziellen Ressourcen‘ zur Verfügung gestellt. Das bedeutet in Wahrheit meist: Es gibt nichts. Obwohl Österreich gemäß der UN-BRK verpflichtet ist, solche Unterstützungsangebote auszubauen, um Barrieren abzubauen und Isolation und Segregation von der Gemeinschaft zu verhindern“, kritisiert Marlovits.

Banken und Ämter ohne Barrieren

„Auch Abläufe, Kommunikation und digitale Anwendungen von Behörden und Banken müssten niederschwelliger gestaltet sein, damit eine Teilnahme am Rechtsverkehr für Menschen mit Behinderungen möglichst gewährleistet ist“, fordert Marlovits.

Viele Erwachsenenvertretungen könnten so vermieden werden – und Verständlichkeit nützt allen. Auch Menschen ohne intellektuelle Beeinträchtigung zweifeln schon einmal beim Lesen eines Behördenbescheids an den eigenen Deutschkenntnissen.

„Bankgeschäfte sind schwieriger geworden, denn menschliche Hilfestellung, z.B. bei der Bedienung von Automaten im Foyer, steht immer seltener zur Verfügung. Dazu kommen geschlossene Filialen, vor allem in ländlichen Regionen. Nicht jeder Mensch ist aber in der Lage, digitale Angebote zu nutzen.“

Besonders erschreckend: „Vereinzelt kündigen Banken die Kontoverträge bestehender Kund:innen, sobald eine Erwachsenenvertretung bestellt wird. Im Jahr 2022 ist das ein untragbarer Zustand und ein Rückschritt in dunkle Zeiten der Entmündigung“, so Marlovits.

UN-BRK-Rechte müssen in Verfassungsrang

Werden völkerrechtliche Verträge wie die UN-Behindertenrechtskonvention verletzt, ist das leider für einzelne Personen innerstaatlich nicht einklagbar.

„Wären soziale Rechte wie Teilhabe, existenzielle Mindestversorgung, Pflege und Wohnen in der Verfassung verankert, könnten sich der Staat bzw. die Länder nicht länger aus der Verantwortung ziehen“, ist Marlovits überzeugt. Es ist hoch an der Zeit, den Grundrechtskatalog endlich zu erweitern.

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