Besorgniserregende Einblicke in Vorarlberg

Prüfungskommission für menschenrechtliches Monitoring fördert Bedenkliches über Vorarlberger Heime und Wohneinrichtungen zu Tage

Flagge Land Vorarlberg
Land Vorarlberg

Der Jahresbericht 2015 der Landesvolksanwaltschaft Vorarlberg, der im Sommer des Jahres 2016 von der Antidiskriminierungsstelle der Landesvolksanwaltschaft Vorarlberg herausgegeben wurde, gibt besorgniserregende Einblicke in die Pflegesituation für Menschen mit Behinderungen in Vorarlberg. Liest man im Kapitel über die Kommission für menschenrechtliches Monitoring stellen sich einem die Haare auf.

Von Mai 2013 bis Dezember 2015 wurden elf Einrichtungen für Menschen mit Behinderung von einer interdisziplinären Expertenkommission besucht. Diese Expertenkommission ist zuständig für den Besuch und die Überprüfung von Einrichtungen und Programmen für Menschen mit Behinderungen.

Wesentlicher Prüfaspekt ist der Grundsatz der Gleichbehandlung und das Fehlen von Diskriminierung. Bei ihren Besuchen hat die Prüfungskommission eine ganze Liste von Missständen festgestellt.

Gewaltprävention unzureichend und besorgniserregend

So werden Gewaltvorfälle oft sehr unzureichend dokumentiert und es gibt sogar einen Fall, wo ein sexueller Übergriff durch einen ehrenamtlichen Mitarbeiter durch das Heim einfach totgeschwiegen wurde. Es gab weder eine Anzeige noch wurden die Eltern der betroffenen Person informiert.

Das Heim bemerkt dazu leichthin: Es wäre niemand geschädigt worden und der Übergriff habe letztendlich keine Auswirkungen gehabt. Generell wurde festgestellt, dass in den Einrichtungen zwar Konzepte zum Thema Umgang mit Gewalt existieren, an der konkreten Umsetzung mangelt es aber, da man sich über die Zuständigkeiten nicht einig ist.   

Privatsphäre Fehlanzeige

Das ist nur die Spitze des Eisbergs, mit dem Recht auf Privats- und Intimsphäre scheint es auch nicht weit her zu sein. So wurden Einverständniserklärungen zur Weitergabe von vertraulichen Informationen und Bildmaterial zwar von den gesetzlichen Vertretern, nicht aber von den Klientinnen und Klienten selbst eingeholt. Dies soll laut Bericht vielfach vorgekommen sein.

Es kam vor, dass intime Daten wie z.B. die Menstruation an Zimmertüren für jeden sichtbar ausgehängt waren. Körper- und Intimpflege bei offener Tür vorgenommen wurde und die Klientinnen und Klienten nicht wählen können, ob sie von einer Frau oder einem Mann gewaschen werden wollen. In einer Einrichtung hatten Klientinnen und Klienten nicht die Möglichkeit ihr eigenes Zimmer abzuschließen.

Personal nicht ausreichend qualifiziert und unterbesetzt

Oft wurde festgestellt, dass Pflege und Betreuungstätigkeiten von Personen durchgeführt wurden, die eigentlich nicht dafür qualifiziert waren. Dies ist auch vor dem Hintergrund des generellen Personalmangels zu sehen.

Das alte Lied vom Taschengeld in Werkstätten

Auch Werkstätten wurden einer Überprüfung unterzogen. Dort ergab sich das, womit schon gerechnet wurde, nämlich dass die Arbeit dort nicht angemessen entlohnt wird.

Die Untersuchung der Expertenkommission zeigt deutlich, wie dringend solche Strukturen überwunden werden müssen, denn von Gleichbehandlung kann hier keine Rede sein und von Integration oder Inklusion schon gar nicht.

UPDATE: Siehe auch ORF-Artikel „Missstände in Betreuungseinrichtungen“  sowie „Nach Bericht: Zank um Prüfkompetenz“ vom 9. September 2016

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2 Kommentare

  • Mein Name ist Marcel. Ich arbeite bei Mensch Zuerst Vorarlberg als Selbstvertreter.
    Ich weiß wie es ist, wenn man keine Privatsphäre hat. Das fühlt sich nicht gut an. Ich möchte Menschen mit Lernschwierigkeiten Mut machen, dass sie sich für ihre Prifatsphäre einsetzen. Ich wünsche mir, dass es in Vorarlberg besser wird. Es gibt nun in Vorarlberg Persönliche Assistenz für Menschen mit Beeinträchtigung. Ich hoffe, dass sich dadurch etwas verbessert. Wir haben dazu einen Film gemacht. Das ist der Link zum Film: https://www.youtube.com/watch?v=0MZVMbow3lU

  • Eine Frage hätte ich zum Thema abschließen der Türen:
    Besteht ein Recht darauf? Denn:
    In der WG eines guten Bekannten von mir hat keiner einen Schlüssel für sein Zimmer. Das wird damit begründet das im Notfall immer wer hineinkönnen muss. (Was mit einem Zentralschlüssel auch ginge)
    Bitte um Antwort.