Causa Konradinum: Schockierende Ergebnisse einer Überprüfung

Die Volksanwaltschaft hat im „Konradinum“ - einer Wohn- und Tagesheimstätte für Menschen mit schweren Mehrfachbehinderungen in Eugendorf/Salzburg - schwere Missstände festgestellt. Die Einrichtung wird vom Land Salzburg betrieben.

Konradinum Land Salzburg
Land Salzburg

Diese Missstände wurden von einer Besuchskommission der Volksanwaltschaft Ende Oktober 2015 erhoben. Auf Verbesserungsvorschläge wurde bisher vom Land Salzburg, dem Betreiber der Einrichtung, nicht reagiert.

Laut Eigendefinition „ist das Konradinum eine Wohn- und Tagesheimstätte für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer schweren geistigen und mehrfachen Behinderung“. Im Konradinum wohnen 34 Menschen im Alter zwischen 2 und 40 Jahren.

Medien berichten über Ergebnisse einer Überprüfung

Einige Tageszeitungen haben die Causa Konradinum ausführlich aufgegriffen. In ihren Artikeln berufen sie sich auf ein Gespräch der Volksanwaltschaft mit der APA, bei dem ein Einblick in die schweren Missstände in der Einrichtung des Landes Salzburg gegeben wurde.

So schreibt zum Beispiel die Kleine Zeitung unter der Schlagzeile „Massive Mängel in Heim für Schwerbehinderte“:

Die Intim- und Privatsphäre in einem Salzburger Heim wird laut Volksanwaltschaft eklatant verletzt. Das Gebäude ist nicht barrierefrei und stark überbelegt. Betten stehen auf den Gängen, es gebe keine Geschlechtertrennung.

Und etwas später: „Dabei würde es sich aber noch nicht einmal um die gravierendsten Missstände handeln.“ Aus der Kleinen Zeitung ist weiters zu erfahren: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter treffe keine Schuld. „Es sind die strukturellen Rahmenbedingungen, die keine menschengerechte Betreuung erlauben“, sagt Reinhard Klaushofer im Interview.

Mängel sind dem Land Salzburg seit Monaten bekannt

Prof. Dr. Reinhard Klaushofer, Leiter der Besuchskommission für Salzburg und Oberösterreich der Volksanwaltschaft, wird wie folgt zitiert: „Obwohl Bewohner teilweise seit Jahrzehnten dort leben, fehlen individuelle Förderkonzepte.“ Und schließlich:

Die Mängel seien dem Heimträger – dem Land Salzburg – seit Monaten bekannt. Doch auf Verbesserungsvorschläge sei bis dato praktisch nicht reagiert worden.

„Wir zweifeln mittlerweile daran, dass man ernsthaft Verbesserungen vorantreiben will“, wird Klaushofer im Kurier zitiert. Dem Artikel ist überdies zu entnehmen: „Zuständig für das Konradinum sind in Salzburg zwei Landesräte. Gesundheitslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) für die Wirtschafts- und Dienstaufsicht, und Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) für die Fachaufsicht.“

Seit 2012 kontrolliert die Volksanwaltschaft

Die Expertinnen- und Expertenkommissionen der Volksanwaltschaft haben seit dem Jahr 2012 verfassungsrechtlich garantierten uneingeschränkten Zutritt zu allen Einrichtungen und erhalten alle für die Ausübung ihres Mandats erforderlichen Informationen und Unterlagen.

„Die Kommissionen orientieren sich bei ihrer verantwortungsvollen Tätigkeit an die von der Volksanwaltschaft vorgegebenen Prüfschwerpunkte. Sie berichten über ihre Besuche und Überprüfungen direkt an die Volksanwaltschaft und schließen Einschätzungen von Menschenrechtsverletzungen und Empfehlungen zu deren Verhinderung an“, ist online nachlesbar.

Österreichweit werden von den sechs Kommissionen der Volksanwaltschaft jährlich hunderte Einrichtungen auf die Einhaltung von Menschenrechten überprüft.

Geschichte des Konradinum

Historisch gesehen wurde das Konradinum nach einer Schenkung bereits im Jahr 1907 als Heim eröffnet. Während der NS-Zeit wurden viele Bewohnerinnen und Bewohner in andere Anstalten verlegt; 1941 wurden diese jedoch, bis auf wenige Ausnahmen, nach Hartheim abtransportiert und dort ermordet.

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3 Kommentare

  • Mir kommt es vor als würden msnche Bundesländer sich für ihre behinderten Mitmenschen genieren und versuche sie diese Menschen zu verstecken. Traurige Angelegenheit, schämt euch für euer Verhalten und tun.

  • Ich gratuliere der Volksanwaltschaft und dem Vertretungsnetz, dass diese
    unwürdigen, menschenverachtenden Missstände von den Menschen, die sich
    am wenigsten wehren können und keine Lobby besitzen, besondere Würdigung
    erfahren.
    Ich kann nur Herrn Lichtenauer zustimmen: Die Länder ignorieren die Menschenrechte, die UN-Behindertenrechtskonvention usf., man will die Macht und das Geld für eine personenzentrierte Förderung und Unterstützung auf keinen Fall aus der Hand geben und die Deinstitutionalisierung nicht in Angriff nehmen, ja sogar bewusst und gezielt durch neue Heime, psychiatrische Anstalten, psychosoziale Ghettos und Werkstätten unmöglich machen. Das Personal arbeitet hervorragend, aber die strukturellen Missstände werden nicht beseitigt. Hier geht es um den Entzug der fundamentalen Menschenrechte wie Freiheit und Persönlichkeitsrechte. Durch strukturelle Gewalt wird den Menschen mit Behinderung noch zusätzlich die Freiheit durch unwürdige und menschenverachtende Praktiken wie mechanische Fesselung (Fixierung) über Stunden und Tage, aber noch menschenverachtender die Freiheitsbeschränkung durch Psychopharmaka. Für beide Methoden sind keine Evidenz für den Nutzen für den Patienten bekannt, bekannt ist dass mehr als 80% der durch freiheitsbeschränkenden Maßnahmen Verstorbenen genau aufgrund dieser Maßnahmen gestorben sind ( wie plötzlicher Herztod, Embolie, Lungenentzündung….), diese vermeidbaren Todesfälle werden in Kauf genommen, anstelle die Ursachen – nämlich die strukurellen Defizite vor allem Humanressourcen bzw. der Deinstitutionalisierung zu beseitigen. Menschenleben werden einfach in Kauf genommen, die Menschenwürde wird diesem System geopfert. In Tirol starben immerhin 137 an psychiatrischen Diagnosen (ohne Suizid) und wie die neue Untersuchung in England durch den Menschenrechtskommissar aussieht, dass Hinderte unnötige Todesfälle (bei Freiheitsentzug in psychiatrischen Abteilungen) dokumentiert sind, kann man sicherlich auch auf Tirol bzw. Österreich übertragen.

  • Statt endlich Menschenrechte ernst zu nehmen und jegliche Verheimung sein zu lassen, wird wieder nur an den Neubau von Heimen gedacht. Aussonderung und Segregation bleiben menschenrechtswidrige Diskriminierung auch wenn die Einrichtungen sie noch so erneuert und behübscht werden!

    Unter „De-Institutionalisierung“ wird bislang Land-läufig nur die Umstrukturierung von Großheimen in Mini-Heime verstanden und aus den menschenrechtlich zustehenden „community based services“ für selbstbestimmtes Leben in freigewählten inklusiven Wohnformen wurden kurzerhand „gemeindenahe“ Wohnbetreuungseinrichtungen, also nicht mehr fernab in der Pampas, sondern etwas näher an die Gemeindegrenzen oder vielleicht sogar in die Wohngegenden gebaut.

    In Salzburg werden die Aufdecker von Missständen zumindest nicht vom Heimbetreiber in jahrelange zermürbende juristische Dauerkämpfe genötigt und auch nicht vom Land durch mittelbare Dauerdiskriminierung in ihrer wirtschaftlichen Existenz zerstört, wie wir persönlich das im Land Niederösterreich seit über zehn Jahren erleben.
    Die Volksanwaltschaft fasst unter der Führung des Herrn Kräuter offensichtlich die menschenrechtsdelinquenten Landesverwaltungen auch nicht mehr so mit Samthandschuhen an, wie wir das zuvor zwanzig Jahre von der VA in mehreren Prüfungsverfahren gewohnt waren.