Gendern ist wichtig!
Gendern ist mehr, als Frauen den ihnen zustehenden Platz in der Sprache einzuräumen!
Gendern ist auch, marginalisierte Gruppen nicht gegeneinander aufzurechnen!
Menschen von Frau bis Mann
Ich habe keine verlässlichen Zahlen gefunden, die Auskunft darüber geben, wie viele Menschen in unserer Mitte leben, die weder Mann noch Frau sind, aber es dürften ohnehin deutlich mehr sein, als jede Statistik aussagen könnte.
Auf jeden Fall sind es zu viele, als dass wir sie in unserer täglichen Kommunikation einfach weiter übergehen dürften.
Ob ich diskriminiert werde, bestimme ich selbst
Wir Frauen und Männer haben uns in den letzten Jahrzehnten mit dem Binnen-I zumindest halbwegs und formal und irgendwie daran gewöhnt, das jeweils andere Geschlecht mitzumeinen. Leute, die aber nicht – oder nicht ganz – Frau oder Mann sind, fühlen sich durch unsere gegenseitige Anerkennung noch lange nicht repräsentiert.
Der Stern des Anstoßes
Aktuell befindet sich das Gender-Sternchen auf dem Vormarsch, um diese Diskriminierung über den Umweg der Sprache zurückzudrängen. Der Ansatz ist gut! Leider wurde dabei aber nicht bedacht, dass das Gender-Sternchen seinerseits wiederum diskriminiert.
Viele Funktionen
Das verwendete Sternchen „*“ erfüllt in der Schriftsprache viele weitere Funktionen. Genannt seien hier nur die in der Multiplikation oder beim Chatten. Zwar ist das für die geneigte Leser_in aus dem Kontext meist leicht zu erkennen, aber für viele Menschen liegt zwischen ihnen und dem geschriebenen Text kein Bildschirm oder Blatt Papier, sondern ein Lautsprecher.
Das ge-hört sich nicht
Für blinde Menschen ist es heutzutage sowohl am Computer wie auch am Handy selbstverständlich, sich Texte von einer elektronischen Sprachausgabe – einer TTS (Text To Speech engine) – vorlesen zu lassen.
Damit lassen sich Arbeitsgeschwindigkeiten erreichen, die denen von sehenden Menschen nahekommen. Allerdings fällt all das, was sehende Menschen an Interpretation leisten, dabei unter den Tisch bzw. findet erst nach dem Hören statt. Das führt zu Effekten, wie in der Grafik angedeutet.
Technisch lässt sich dieses Problem leider nicht lösen, ich erspare euch in diesem Artikel allerdings die Ausführungen, warum das so ist. Es bleibt auf jeden Fall festzuhalten, dass das Gender-Sternchen blinde Menschen diskriminiert.
Wo bitte geht’s hier zum Ausgang?
Der Doppelpunkt
In manchen Artikeln wird der Doppelpunkt zur Lösung des Problems propagiert. Dieser erzeugt allerdings bei den meisten TTS eine so lange Pause im gesprochenen Text, dass Mensch sich bereits im folgenden Satz oder Absatz wähnt.
Eben genau so, wie wenn der Doppelpunkt in seiner ursprünglichen Funktion eingesetzt wird, nämlich als Beginn einer Aufzählung oder von wörtlicher Rede.
Der Unterstrich
Der Unterstrich ist als Gender-Gap ja auch schon recht etabliert. Von der Mehrheit der Nichtmänner und Nichtfrauen wird er jedenfalls als dem Gender-Sternchen gleichwertig angesehen. Er hat gleichzeitig den Vorteil, dass viele aktuelle Sprachausgaben ihn nicht (aus)sprechen. Mithin also genau das tun, was erreicht werden soll, nämlich Platz lassen zwischen Frau und Mann.
Vor allem bei mobilen Sprachausgaben wird das Zeichen „_“ zwar oft noch als Wort „Unterstrich“ ausgesprochen, dies stellt aber abseits des Genderns bereits einen Fehler dar und kann praktisch ohne negative Nebenwirkungen korrigiert werden.
Kampf dem Sternchen, nicht dem Gendern!
Meine dringende Bitte an alle, die guten Willens sind: Nennt ihn Gender-Strich, Unterstrich oder Gender-Gap, aber verwendet ihn.
Danksagung
Mein Dank gilt vielen geduldigen nichtbinären Menschen auf Twitter. Im Besonderen Illi Anna Heger (Twitter: @AnnaHegerC), von xier habe ich die entscheidende Idee, die visuelle und die akustische Pause als gleichwertig gegenüberzustellen. Schaut euch die Arbeiten zu „Pronomen ohne Geschlecht“ mal an; es lohnt sich!
Danke an Alexander Vogler (Twitter: @Chiliphunk) für die sensible und treffende Umsetzung des akustischen Problems in die anschauliche Grafik.
Siehe auch: Diskriminiert das Gender-Sternchen blinde Menschen?