Wilfried Raith war eine herausragende Persönlichkeit aus Salzburg

Er - der Willi - war ein Pionier der Salzburger Selbstbestimmt-Leben-Bewegung und hat als Behindertenbeauftragter der Stadt Salzburg vor 30 Jahren viele Dinge vorangetrieben. Er lebte von 1959 bis 2022.

Wilfried Raith
Wilfried Raith

Als Behindertenbeauftragter der Stadt Salzburg hat Wilfried Raith in den Jahren 1990 bis 1995 für die Interessen von Menschen mit Behinderungen gekämpft und wichtige Fortschritte erzielt.

Er baute die Stelle als Behindertenbeauftragter der Stadt Salzburg mit viel Anstrengung und teilweise auch gegen politischen Widerstand auf. Als Behindertenbeauftragter hatte er auch keine Angst, sich in Streitigkeiten mit der zuständigen Stadträtin Veronika Garber von der SPÖ öffentlich auseinanderzusetzen.

„Als Büro diene“ – so berichtete beispielsweise die Presse im Oktober 1991 von seinem Protest – „nur ein mittels mobiler Zwischenwände abgeteilter Besprechungsraum, einen eigenen Personalcomputer habe man – allerdings ohne Drucker erst kürzlich bewilligt erhalten.“

Barrierefreiheit war für den Behindertenbeauftragten immer ein wichtiges Anliegen; da konnte er auch emotional werden:

Wir müssen sogar darum kämpfen, aufs Klo gehen zu können.

Er betonte, dass Menschen mit Behinderungen das Recht haben, einfach auf die Toilette gehen zu können. Willi forderte, dass breitere Türen und entsprechende Toiletten in öffentlichen Gebäuden gesetzlich vorgeschrieben werden sollten. Er konnte durchsetzen, dass im Dezember 1992 von der Stadt Salzburg eine Studie zu Barrierefreiheit in Auftrag gegeben wurde.

Als Maßnahmen wurden bei der Präsentation der Studie „Barrierefreie Stadt“ am 22. Juli 1994 u.a. die Anwendung der ÖNORM B 1600 „Barrierefreies Bauen“ für alle öffentlichen und öffentlich geförderten Neubau- und Sanierungsmaßnahmen sowie die Errichtung eines Zentrums für Selbstbestimmtes Leben in der Stadt Salzburg vorgeschlagen. (Wien hatte damals mit BIZEPS schon ein Zentrum für Selbstbestimmtes Leben.) Im gleichen Jahr gab es auch eine Enquete „Salzburg für alle – barrierefreie Stadt“ dazu, bei der ich ein Impulsreferat hielt.

Als Behindertenbeauftragter der Stadt Salzburg wies er darauf hin, dass Diskriminierung behinderte Menschen oft in einen Zustand der Resignation treibt. Für Aufsehen sorgte im Juli 1995 sein Entschluss, als Behindertenbeauftragter der Stadt Salzburg mangels Unterstützung zu kündigen. Die Stelle blieb dann länger unbesetzt; gegen seine nichtbehinderte Nachfolgerin gab es Proteste.

Weitere Stationen: HOSI Salzburg, MOHI Salzburg uvm.

Scharf kritisierte er, der selbst Rollstuhlfahrer und schwul war, öffentlich im Jahr 2010 die HOSI Salzburg wegen mangelnder Barrierefreiheit. Er betonte, dass es inakzeptabel ist, von Antidiskriminierung in Verbindung mit der HOSI zu sprechen, insbesondere da die neue Raumwahl weiterhin den Ausschluss von Rollstuhlfahrer:innen zuließ und somit bewusst Diskriminierung fortgesetzt wurde, obwohl das Problem seit vielen Jahren bekannt war.

Willi war ebenfalls für den Mobilen Hilfsdienst (MOHI) Salzburg tätig, eine der ersten Organisationen, die Dienstleistungen im Sinne der Persönlichen Assistenz in Österreich anbot. (Der MOHI wurde Jahre später von der Volkshilfe übernommen.) Im Jahr 1994 besuchten wir gemeinsam Dänemark, wo es bereits ein gutes System der Persönlichen Assistenz gab, das als Vorbild für Österreich angesehen wurde.

Er setzte sich nicht nur für die Interessen von Menschen mit Behinderungen ein, sondern engagierte sich auch in anderen Bereichen für Menschenrechte. Als Präsident der Aids-Hilfe Salzburg kämpfte er beispielsweise erfolgreich um den Erhalt der Beratungsstelle.

In den letzten Jahren vor seiner Pension leitete er die „Fachstelle für Gefährdetenhilfe“ der Sozialen Arbeit GmbH, eine Einrichtung, die sich mit der Delogierungsprävention in der Stadt Salzburg befasst.

Von 2017 bis 2022 war er Mitglied im Salzburger Monitoringausschuss zur Überwachung der UN-Behindertenrechtskonvention und brachte so seinen langjährigen Erfahrungsschatz ein. (Siehe auch)

Willi war über viele Jahre hinweg eine prägende Persönlichkeit im Bereich der Behindertenrechte, nicht nur in Salzburg, sondern auch darüber hinaus. Ich kannte und schätzte Willi schon seit rund 35 Jahren, hatte aber leider in den letzten Jahren nur noch vereinzelt Kontakt zu ihm.

Er ist am 5. Juni 2022 in Salzburg verstorben. Auf seiner Pate steht:

Wenn ihr an mich denkt, seid nicht traurig, sondern habt den Mut, von mir zu erzählen und zu lachen. Lasst mir einen Platz zwischen Euch, so wie ich ihn im Leben hatte.

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6 Kommentare

  • Ohne das Internet hätte ich von seinem Tod erst gar nichts erfahren. Ich lernte Wilfried Raith damals 1983 durch einen Jugendfreund Conny in einem Jugendzentrum kennen. Damals hatte er noch keinen Rollstuhl, obwohl er von seiner Diagnose wusste und es schon damals ungewiss war, wie lange er eigentlich noch zu leben hätte. Wilfried Raith kannte die Jugendszene ausgezeichnet und war auch im Nachtleben sehr aktiv. Wir durchstreiften Lokale wie die Humbold Stubn in der Gstättengasse. Sprachlich war Wilfried uns haushoch überlegen, ganz gleich um welches Thema es sich drehte. Er analysierte dabei gerne das soziales Gefüge und die sozialen Verhältnisse der Jugendlichen. Dabei erwähnte er gerne Theorien von Wilhelm Reich und Sigmund Freud. Wilfried war ein blendender und oft amüsanter Unterhalter und diskutierte in der Runde gerne über Konflikte sozialer Art. Wilfried Raith reflektierte sehr viel.

  • Ein Mitstreiter und Aktivist der ersten Stunde für ein selbstbestimmtes Leben – offenbar in vielen Bereichen und nicht nur im „Behindertenbereich“. Vielen Dank, Willi – Ruhe in Frieden!

    • In meiner Jugendzeit kannte er die Jugendszene sehr gut. Er war auch eine Zeit lang Leiter eines Jugendzentrums auf dem Mönchsberg. Wir Jugendlichen durchstreiften damals alle Nachtlokale Salzburgs bis 4 Uhr morgens. Das Hauptinteresse war fürWilfried die sozialen Verhältnisse. Besonders oft traf er sich mit Jugendlichen, die in Schwierigkeiten waren.

  • Danke für den feinen Nachruf, den ich gerne im gemeinsamen Netzwerk (Forum Wohnungslosenhilfe etc.) weiterleite.
    In Ergänzung zu den beruflichen steps, für die Willy sich stark gemacht und mit seinem ganzen Gewicht eingesetzt hat, möchte ich noch darauf hinweisen, dass willy wesentlich und viele Jahre in leitender Funktion am Aufbau der Delogierungsprävention mitgewirkt hat.

  • So traurig zu lesen, dass jetzt auch Willi verstorben ist. So viele, die in den 1990-er Jahren den politischen Kampf für Gleichberechtigung geprägt haben, sind nicht mehr am Leben!

    • Ich sehe es umgekehrt. Damals in den 1990 er Jahren war sich Wilfried wegen seiner
      Erkrankung (den genauen Namen weiß ich nicht mehr, aber es betrifft die Muskeln) nicht mehr sicher, wie lange er überhaupt noch leben wird…